Hey ihr Lieben,
Ich sitte momentan für 3 Wochen täglich einen knapp 3-jährigen Jungen. Er ist der Sohn von Verwandten (und auch Freunden) von mir. Vor 3 Wochen ist ein zweites Kind dazugekommen- über eine Woche zu spät und mit notfallmäßigem Kaiserschnitt, weswegen die Mama auch emotional noch sehr mitgenommen ist. Ich bin jetzt zur Unterstützung da, heißt ich mache auch einige Haushaltsarbeiten und sitte halt, wenn der Vater arbeiten ist. Der Größere, auf den ich aufpasse, war bis jetzt Kronprinz der Familie. Natürlich lag alle Aufmerksamkeit auf ihm, was jetzt auch nicht großartig anders ist. Ich kann nicht behaupten, dass den Eltern die Balance zwischen Neugeborenem und vorhandenem Kind schwerfällt- das meistern sie eigentlich ganz gut. Klar ist es im Moment so, dass ich mich fast die ganze Zeit mit dem Größeren beschäftige, aber er wird von den Eltern nicht aufs Abstellgleis gestellt.
Ich bin nur kurz vorm verzweifeln und ausrasten. Der Kleine tanzt mir nur auf der Nase herum.
Es ist schon ein Kampf, ihm eine Unterhose anzuziehen. Er hat grade gelernt, allein auf Toilette zu gehen, und zieht es halt vor, seine Hose erst garnicht wieder anzuziehen. Für seine Eltern ist das wohl ok (sie sind übrigens Waldorf-geprägt), ich finde es aber nicht so schön, wenn er mir mit seinen Händen, mit denen er sich vorher im Schritt und auch hinten rumgefummelt hat, ins Gesicht oder gar ins Essen packt. Er sitzt auch teilweise nackt am Essenstisch, wo die Eltern nichts zu sagen. Wenn man ihm dann mal eine Unterhose anziehen will, muss man ihn praktisch erst einfangen und fixieren, bevor das überhaupt möglich ist. Er hört einfach nicht, seine Lieblingswörter sind "Nein" und "Doch". Ich weiß, dass Kinder in diesem Alter ihre Grenzen austesten. Mir ist auch bewusst, dass er ein Kleinkind ist, das sozusagen erstmal sozialisiert werden muss. Aber bei manchen Dingen geht es einfach zu weit.
Letztens, kurz bevor ich gegangen bin, hat er mir ins Bein gebissen. Natürlich habe ich da auch noch gesagt "Hey, lass das, das tut mir weh, hör auf! Das ist nicht nett". Fand er irre witzig. Es tat wirklich auch noch die ganze Nacht weh und ich habe einen mächtigen blauen Fleck plus Beisspuren davongetragen. Am nächsten Tag sagte ich zu ihm, wie sehr das noch wehtat und habe ihm auch die Wunde gezeigt. Er hat gelacht und einige Sekunden später hat er mir eine Holzbürste ins Gesicht gehauen. Seine Mutter war auch dabei und meinte dann "Hey, tu der T. doch nicht weh! Das macht ihr aua!" Das wars aber auch schon. Ich musste erstmal eine rauchen gehen, damit ich nicht ausraste.
Ein weiterer Trick von ihm, um nicht ins Bett zu gehen, ist, dass er noch 3 mal innerhalb von 10 Minuten behauptet (nachdem man ihn ins Bett gebracht hat), er müsse aufs Klo. Tatsächlich kommt auch jedes mal was raus. Er kriegt ins Bett noch eine Pulle Wasser, von der auch (mit ihm) abgesprochen ist, dass das die einzige für den Abend ist. Er verspricht dann, dass das reicht, und schreit rum, wenn er keine neue kriegt. Schwierig an der ganzen Geschichte ist für mich einfach, dass dies die Dinge sind, die man einem Kind nicht gerne verweigert: Trinken und auf die Toilette gehen. Einmal habe ich ihn gefragt : "Musst du jetzt wirklich nochmal auf die Toilette? Du warst eben erst" "Jaa" "Lügst du mich an?" "Jaa." Ich muss wohl nicht immer erwähnen, dass meine Nerven derart strapaziert sind.. Auch, weil die Mutter eigentlich auch immer in der Wohnung ist, und ihren "laschen" Erziehungsstil auch nicht dementsprechend ändert. Das härteste, was ich bisher erlebt habe, war, dass sie ihn aufs Zimmer gebracht hat, nachdem er sich wieder mit Händen und Füßen (wohlgemerkt nicht aggressiv, sondern lachend und kichernd) gegen eine Unterhose gesträubt hat. Dort hatte er dann 2 Minuten rumgeschrien und geheult, kam aber auch wieder von alleine aus dem Zimmer! Ich finde ja, dass das Elternteil dann entscheidet, wann die Auszeit vorbei ist.. Als er dann zurückkam, war die Mutter wieder voll auf: "Wenn ich dir sage, dass wir dir jetzt eine Unterhose anziehen, dann machen wir das auch, ja, mein Mäuschen?"
Außerdem kommt noch dazu, dass Spielplatzgänge für mich mittlerweile ein Horror geworden sind. Er ist in keinster Weise bereit, mit anderen Kindern zu teilen. Sollten sie nur mal eine Schippe Sand in seinen Bagger schmeißen, wird er sehr, sehr böse. Holen aber die anderen Kinder ihre Spielsachen raus, ist er der erste, der sich was davon wegnimmt. Generell ist eh alles seins. Alles, was er schön findet, egal ob ein Motorrad auf der Straße oder ein Spielzeug, wird mit "meins" betitelt.
Er kann sich aber auch nur max. 10 Minuten alleine beschäftigen, man muss ständig ein Auge auf ihn haben, weil er sonst auch zB an die Nähmaschine seiner Mutter geht (da wurde auch schon eine Million Mal gesagt dass er da nicht drandarf), und er spricht noch nicht in ganzen Sätzen.
Sein Vater reagiert meiner Meinung nach angemessen auf seine Aktionen, vor kurzem hatte er uns mit einer Spielzeuglok abgeworfen, als er kurz keine Aufmerksamkeit bekam, die den Vater fast am Kopf getroffen hat, da ist er dann auch laut geworden. Davon lässt der Kleine sich in dem Moment auch nicht beeindrucken, auf: "Das tut verdammt weh!" folgt von dem Kleinen meistens ein "NEIN!" (auch wenn er beißt etc). Als der Papa dann nur meinte "Soll ich dich mal damit abwerfen" war für die Mama das Fass voll, das war ihr schon zu viel. Sie ist eher auf der Schiene "Ach Mäuschen, das war jetzt nicht nett."
Ach und wenn er mal Ärger bekommt von seiner Mutter, wenn sie auch mal nicht mehr in Engelszungen auf ihn einredet, fängt er an, sich selbst zu beißen.
Weiterhin läuft es so, dass ich mich sechs Stunden mit ihm beschäftige (ohne Mittagsschlaf, mit einkaufen und auf den Spielplatz gehen) und er danach noch vollkommen am ausrasten und überhaupt nicht erschöpft ist. Ich bin dann meistens schon von Kopfschmerzen geplagt und will einfach nur ins Bett.
Liebe Mütter, liebe Eltern, liebe Erziehungswissenschaftler, liebe jede Person, die Ahnung davon hat: Ich raste bald wirklich aus. Ich habe da keine Geduld mehr für. Ich bin noch weit von meinem geplanten Kinderkriegenalter entfernt (ich bin jetzt 20), aber momentan habe ich den Kinderwunsch vollends aufgegeben. Da hilft mir nur, dass ich weiß, dass ich mit meinen Kindern anders umgehen werde.
Aber wie gehe ich mit der ganzen Geschichte um? Der Kleene kommt jetzt auch nach den Sommerferien in den Kindergarten, Waldorf. Ich war selber dort und habe dort auch ein Praktikum gemacht, ich bin für ihn sehr froh, dass die Kinder dort nicht nur gepampert werden.
Ich habe aber auch nicht die Absicht, weiterhin mit blauen Flecken darauszugehen. Ich kanns kaum glauben, aber ich habe echt einen großen Brast auf einen fast 3jährigen. Ich denke fast schlecht von ihm, weil er auch in vollem Bewusstsein provoziert.
Ich weiß, dass gewisse Dinge normal sind, nur in welchem Maße? Wenn die Mama weiterhin so larifari mit dem umgeht, dann kann er eigentlich nur Probleme kriegen, wenn er "in die Gesellschaft" kommt. Ich muss ihm einfach Grenzen setzen, wenn wir zusammen sind, anders geht es garnicht, sonst drehe ich durch?
Außerdem ist die Erziehung anderer Kinder ja eh ein sehr heikles Thema... Ich kann ja nicht zu der Mutti gehen und sagen "Dein Kind ist außer Rand und Band." Gibt es einen sensiblen Weg, das irgendwie zu regeln?
Ich würde einfach gerne ALLE eure Gedanken dazu erfahren. Egal, ob jetzt auf meine expliziten Fragen bezogen oder nicht.
Ich möchte nur nicht die nächsten Wochen jeden morgen mit schlechter Laune mit Aussicht auf den Tag aufwachen.
Danke im Voraus!
tonesmones