Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg
Die Grundschulempfehlung in Baden-Württemberg dient dem Zweck, die zur Verfügung stehende Schülermasse so auf die drei Schularten zu verteilen, dass das 3-gliedrige Schulsystem in der bestehenden Form erhalten bleibt. Schließlich ist es ja laut unserer überaus kompetenten Forschungsministerin Schawan entgegen allen anders lautenden Einschätzungen (PISA) ein Erfolgsmodell und nicht, wie der SPD-Politiker Schreiner meint, eine einzige Katastrophe. Die niederen Motive (Schulstandorte sichern, Lehrerplanstellen erhalten, die bourgeoisen Sprösslinge von den Prekariatsschülern schützen usw.) dominieren die vermeintlich höheren (bestmögliche Förderung von Eignung und Neigung usw.) wie so oft in menschlichen Systemen. Bei der sog. Grundschulempfehlung hat man es in zweierlei Hinsicht mit einer Mogelpackung zu tun: Zum einen werden die wahren Motive verschleiert, zum anderen hat man als Eltern nur die Illusion der freien Entscheidung, nachdem die Wahlfreiheit zuvor (im Rahmen der pädagogischen Freiheit) mehr oder weniger eingeschränkt wurde. Weil dies aber verfassungsrechtlich bedenklich ist, wurde noch das sog. Beratungsverfahren und die sog. Aufnahmeprüfung eingeführt, wodurch angeblich absolut objektive Beurteilungen und Einschätzungen gewährleistet sein sollen. Dass die an diesen Verfahren beteiligten Bildungsbürokraten und Lehrer auch zum System gehören und von daher so objektiv gar nicht sein können (oder wollen), scheint kein Widerspruch zu sein auf unabhängige Sachverständige, wie sonst im Rechtsverkehr bei Meinungsverschiedenheiten üblich, scheint man hier verzichten zu können bzw. zu wollen, damit die Grundschulempfehlungen (die Quoten) mit Ausnahme einer marginalen Alibiquote unverändert bleiben.
Eltern, die mit der Grundschulempfehlung nicht einverstanden sind und die durch Verhandlungen mit dem Lehrer nichts erreichen (also der Regelfall), möchte ich nach leidvollen Erfahrungen mit der Baden-Württembergischen Bildungsbürokratie folgendes empfehlen:
Grundsatz: Nicht auf die Spielregeln (Beratungsverfahren und/oder Aufnahmeprüfung), die das Verfahren vorgibt, eingehen. Nicht vergessen, wer eigentlich was von wem will: Die Schule will eine Entscheidung von den Eltern. Diese Entscheidung sollte man davon abhängig machen, dass das Empfehlungsverfahren gesetzeskonform und fehlerfrei durchgeführt wurde, dass also auch ein Anmeldezeugnis lt. Aufnahmeverordnung ausgestellt wurde. Durch den Hinweis, das Kind würde automatisch in der Hauptschule angemeldet, sollte man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Eine Anmeldung kann die Entscheidung nicht ersetzen bzw. auch für diese Anmeldung bräuchte die Schule die Entscheidung der Eltern.
Deshalb:
1.Das Formblatt Rückmeldung nicht ausfüllen und v.a. nicht zurückgeben. Stattdessen dem Schüler ein Schreiben mit folgendem Wortlaut mitgeben:
Betr.: Umsetzung der Verordnung des Kultusministeriums über das Aufnahmeverfahren für Realschulen und Gymnasien (Aufnahmeverordnung)
hier: Grundschulempfehlung für unsere Tochter / Sohn
Sehr geehrter Herr / Frau
Unserer Tochter / Sohn wurde bisher noch kein Anmeldezeugnis entsprechend der o.g. Verordnung ausgestellt. Ohne Kenntnis des Anmeldezeugnisses sehen wir uns außerstande eine verantwortbare Entscheidung über die künftige Schullaufbahn von zu treffen.
Wir bitten daher höflichst um Überlassung eines Exemplars.
Mit freundlichen Grüßen
2.Sollte daraufhin das Anmeldezeugnis nicht ausgestellt werden (Regelfall) bzw. die Noten werden einem aber gerne mündlich mitgeteilt bzw. man beruft sich auf eine billige Verwaltungsvorschrift, wonach das Zeugnis nicht an die Eltern ausgegeben wird usw., würde ich beim zuständigen Verwaltungsgericht per Antrag auf einstweilige Anordnung unter Bezugnahme auf die Aufnahmeverordnung und unter Hinweis auf die Dringlichkeit, die Ausstellung einklagen, etwa nach folgendem Muster:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
der Schülerin
Name
Postanschrift Antragstellerin
vertreten durch die erziehungsberechtigten Eltern
Name
Postanschrift
gegen
Grundschule ..
Postanschrift Antragsgegner
vertreten durch den Schulleiter Herr / Frau
Die Antragstellerin beantragt zu beschließen:
die Grundschule hat der Schülerin ohne weiteren Verzug ein Anmeldezeugnis entsprechend 4 der Verordnung des Kultusministeriums über das Aufnahmeverfahren für Realschulen und Gymnasien der Normalform (Aufnahmeverordnung) auszustellen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens
Begründung
Das Anmeldezeugnis hätte der Schülerin vor dem Meldetermin ausgestellt werden müssen. Trotz Aufforderung und Beanstandung kam die Grundschule dieser Obliegenheit, die sich deutlich aus 4 der Aufnahmeverordnung ergibt, bis zum heutigen Tage nicht nach. Das Anmeldezeugnis wird dringend zur Entscheidungsfindung über die künftige Schullaufbahn benötigt.
3.Gegen ein bzw. dieses Zeugnis (falls das Gericht dem Antrag stattgibt) müsste nach ständiger Rechtsprechnung (Stichworte Fachnote, Zeugnis) ein Widerspruch möglich sein, weil es als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. (Das dürfte auch der Grund sein, weshalb die Schulen es nicht rausrücken wollen). An dieser Stelle könnte dann u.U. auch die Konsultation eines qualifizierten Rechtsanwaltes sinnvoll sein. Wichtig hierbei ist, dass man ausschließlich das Zeugnis, also die Noten und deren Zustandekommen, beanstandet und formal nicht das Empfehlungsverfahren, sonst wird man automatisch (und durch die Rechtsprechung abgesichert) auf die Schiene Beratungsverfahren Aufnahmeprüfung geleitet.
4.Dies scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, gegen das Empfehlungsverfahren vorzugehen, d.h. die Schule zu zwingen, über Beurteilungsfehler zu verhandeln, vorausgesetzt man hat auch genügend Munition, kann also den einen oder anderen (Beurteilungs-)Fehler nachweisen bzw. glaubhaft machen (z.B. dass nicht die Noten sämtlicher Unterrichtsfächer genannt sind). Durch die Androhung von Verwaltungsgebühren (für die Bearbeitung des Widerspruches) sollte man sich auch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Ob diese zulässig sind, ist eher zweifelhaft.
5.Das sog. Beratungsverfahren und/oder die sog. Aufnahmeprüfung kann man sich getrost schenken, auch wenn gerne damit argumentiert wird, dass erst danach ein Widerspruch gegen das gesamte Verfahren möglich wäre. Sobald man sich darauf einlässt, hat man bereits verloren. Nach (wahrscheinlich sehr negativem) Abschluss der Aufnahmeprüfung ist das (wenn auch fehlerhafte) Empfehlungsverfahren vollkommen bedeutungslos.
6.Gegen einen negativen Widerspruchsbescheid wäre dann die Klage möglich. Hierbei ist natürlich zu überlegen, ob Erfolgsaussichten bzw. das Kostenrisiko diesen Schritt rechtfertigen.
Zum Schluss noch ein Hinweis an diejenigen Eltern, die ihr Kind vorübergehend in einem anderen Bundesland beschulen lassen wollen, um damit dem ganzen Schlamassel aus dem Weg zu gehen. Nach aktuellen Informationen kann die (spätere) Aufnahme in der gewünschten BW-Schule nur erfolgen, wenn das Kind bereits ein Zeugnis der abgebenden Schule hat, was frühestens zum Ende des Schulhalbjahres der Fall sein dürfte. Hier gilt die Allgemeine Schulordnung, d.h. es muss ein der Schulart entsprechendes Zeugnis (eines abgebenden Gymnasiums oder einer Realschule) vorliegen. Solange das nicht der Fall ist, gilt die Grundschulempfehlung.