Hallo...
mein kleiner Bruder leidet wahrscheinlich an FA (Überschrift), er ist jetzt 10 und zeigte schon immer Auffälligkeiten, bezogen auf seine Entwicklung. Meine Mutter ist schon seit 20 Jahren alkoholkrank (vielleicht auch schon länger), sie trank immer so viel, dass sie den ganzen Tag im Vollrausch auf der Couch gelegen hat, so auch in den ersten beiden Schwangerschafts-Trimester mit meinem Bruder. Das letzte Trimester wurde gar nicht richtig ausgetragen, mein Bruder wurde im 7. Monat geboren (Frühgeburt). Er war so winzig und das Füttern war ein Drahtseilakt, er hat gegessen wie ein Spatz und das Bißchen blieb selten drin. Im Kleinkind-Alter lernte er einfach nicht richtig sprechen, die Defizite waren auffällig. Meine Tochter ist im gleichen Alter wie er (zwei Monate älter) und anhand des Vergleichs waren die Entwicklungsunterschiede nicht zu leugnen. Vorschläge, mit meinem Bruder zum Logopäden, zum Arzt oder ihn gar zur Unterstützung in den Kindergarten zu schicken stießen bei meiner Mutter auf taube Ohren. "Er sei nur zu faul zum Reden!" sagte sie immer. Sie wird auch sehr patzig wenn es um den Vergleich zwischen meine Tochter und meinem Bruder geht, "weil es ja nicht zählt!"... Ein wenig Recht hat sie ja, der Kinderarzt stellte bei meiner Tochter eine überdurchschnittliche Entwicklung und einen hohen IQ fest, sie besucht jetzt das Gymnasium. Trotzdem weiß jeder, wie durchschnittliches 10-jähriges Kind entwickelt sein muss! Mein Bruder ist ein Klasse unter ihr, er wird definitiv die Hauptschule besuchen und die weiteren zwei, drei Jahre einen Betreuer brauchen. Er ist geistig auf den Stand eines 7-Jährigen, auch von der Sprache her, und er ist völlig unselbstständig. Er wird noch bis zur nahliegenden Bushaltestelle gebracht und abgeholt, während meine Tochter den kompletten Schulweg mit Stadtbahn und Umsteigen völlig alleine und selbstständig fährt... Mein Bruder hat auch diese typischen Gesichtszüge, die bei Kindern mit FA zu sehen sind. Diese Diagnose gibt es aber nicht, den Verdacht haben nur wir Geschwister, weil die Kinderärzte nichts wissen von der Sucht meiner Mutter und eher erstickt sie an ihrer Zunge als das zuzugeben! Das Blöde ist, dass eine präzisere Therapie nicht folgen kann, wenn kein Arzt die Vorgeschichte kennt... Und so wird meinem Bruder nicht gezielt geholfen und ihm werden noch mehr Weichen gestellt, ich bin echt traurig wegen ihm. Ich weiß auch gar nicht, was ich da tun soll, und ich weiß auch nicht, ob ich auf meine Mutter sauer sein soll, weil sie es hat soweit kommen lassen. Ich meine, ja, sie ist süchtig und es ist eine Krankheit, aber ist sie deshalb von jeder Verantwortung befreit? Soll man ihr Vorwürfe machen, ihr ins Gewissen reden? Darf man auf sie sauer sein? Ich würde gerne wissen, wie andere Leute darüber denken... Und vielleicht ein Austausch über Alkohol in der Schwangerschaft, das Thema betrifft mich sehr...
Vielen Dank...