Sehr, sehr langer Text
Hallo! Habe mir dieses mal as dem Internet geladen und würde mich freuen wenn du es einmal lesen würdest! Weiter möcht ich zunächst erstmal nichts schreiben!
Scheidungskinder!
1. Einleitung
Mein Ziel ist es, vornehmlich Eltern, Jugendliche, und Jugendleitern Hilfestellung im Umgang mit Scheidungskindern zu geben. Ich will keine Abhandlung über dieses Thema schreiben, sondern praktische Ratschläge geben. Ich grenze bewusst das Thema Scheidung und Wiederverheiratung aus und konzentriere mich auf die Scheidungskinder und ihre besondere Problematik.
Immer mehr Menschen kennen wir, die geschieden oder selbst Scheidungskinder sind. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und alles wieder ungeschehen machen. Wir müssen lernen, diese Menschen anzunehmen, uns mit ihrer besonderen Problematik auseinandersetzen und helfen. Ich möchte zeigen, auf wie viele Weisen eine Scheidung das spätere Leben der Scheidungskinder beeinflusst, wobei sich im einzelnen große Unterschiede zeigen können.
So spielt etwa das Alter, in dem die Kinder die Scheidung der Eltern miterleben, eine wichtige Rolle. In der Fachliteratur wird berichtet, dass 0-3-jährige die Scheidungen am besten verarbeiten, weil die Bindung zur Mutter sehr stark ist (meist werden die Kinder der Mutter zugesprochen). Aber die 4-12-jährigen haben es schwer, weil sie besonders in diesem Alter beide Elternteile brauchen, um psychosoziales Verhalten zu lernen. Leichter wird es ab der Pubertät - sie finden ihre eigenen Maßstäbe, können ihren eigenen Stand-punkt behaupten und dadurch die Scheidung besser verarbeiten. Dennoch möchte kaum ein Kind die Scheidung der Eltern. Es finden sich nur sehr wenige Kinder, die in der Scheidungsvorphase andere Wunschvorstellungen signalisieren können, als solche nach der Wiederherstellung der Familie. Eine Ehe zu beenden ist ein enorm bedeutungsvoller Schritt mit psychischen Folgen, die nicht verschwinden, wenn ein juristisches Urteil gefällt wurde. Das Leben geht weiter und die Kinder haben damit zu leben (leider). Sie sind die wirklich Leidtragenden in dieser Situation, und leider ist meistens ein Elternteil breit dieses Leiden seinen Kindern aufzuerlegen, nur um eigene Ziele verfolgen zu können.
2. Deutschland Statistik
2,3 Millionen der 15,6 Millionen deutschen Kinder leben laut Statistischem Bundesamt mit dem Schicksal, Scheidungskinder zu sein. Damit war im Jahr 2004 jedes 7. Kind in Deutschland ein Scheidungskind. Fast jede dritte Ehe wird wieder geschieden, am häufigsten im vierten Jahr ihres Bestehens. (STRUCK 1995, S. 6)
Die meisten Kinder erleben die Trennung ihrer Eltern mit, wenn sie zwischen drei und dreizehn Jahre alt sind, also in den besonders ungünstigen Altersstufen.
3. Was bedeutet die Scheidung für das Kind
Es ist besser, die Scheidung als Prozess vorzustellen, dessen Beginn lange vor der eigentlichen Trennung liegt und der ganz allmählich ins Rollen kommt. Der Trennung geht meist eine lange Zeit des Konflikts zwischen den Ehepartnern voraus. Die ersten zwei Jahre nach der Scheidung werden Krisenperiode genannt. Für die Kinder beginnt die Krise mit Schock, Angst und Wut, wenn sie erfahren, dass die Ehe ihre Eltern zerbrochen ist. In dieser kritischen Zeit haben Kinder zwei ganz spezifische Bedürfnisse: Erstens ver-langen sie verstärkt nach emotionaler Unterstützung, während sie sich auf die so gänzlich anderen Lebensumstände anzupassen suchen. Zweitens sind sie auf eine einigermaßen verlässliche, tägliche Routine angewiesen. (FURSTENBERG 1993, S. 105) Leider haben gerade in dieser Zeit die Eltern selbst zu viele Probleme und Ängste, um ihren Kindern richtig zu helfen. Ein Kind kann es nur ganz schwer verstehen oder gar akzeptieren, wenn sein Vater oder seine Mutter eines Tages aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und es verlässt - so zumindest erlebt es das Kind. Wie der Tod, löst auch das Ende einer Ehe in Kindern eine Vielzahl von Gefühlen aus - Schock, Verlust, Ängste, Hilflosigkeit, Ärger, Wut, Trauer -, bis sie schließlich die neue Situation akzeptieren können bzw. müssen. Ein Kind spürt schon lange bevor sich die Eltern endgültig trennen, dass etwas nicht stimmt. Wenn dann ein Elternteil endgültig auszieht, wird das Kind in einen Strudel von Gefühlen gerissen, reagiert verwirrt, bestürzt und angstvoll. Seine tiefe Sicherheit, die im Zusammenleben mit beiden Eltern ihr Fundament hatte, ist zu tiefst erschüttert worden. (BEAL 1992, S. 27) Von Vater oder Mutter getrennt zu werden, tut jedem Kind weh und erfüllt es mit Wut und tiefer Trauer. Durch die Trennung von einem Elternteil erlebt das Kind einen sehr schweren Verlust, dessen Endgültigkeit selbst seine Eltern oft gar nicht erkennen oder wahrhaben wollen. Dadurch nehmen sie ihrem Kind die Möglichkeit, offen zu trauern und damit die Chance einer baldigen Heilung. Und als wären Traurigkeit, Schmerz und Wut über die Trennung nicht schon schwer genug zu ertragen, glaubt ein Kind darüber hinaus oft noch, selbst die Schuld oder zumindest eine Mitschuld an der Trennung zu tragen. (BEAL 1992, S. 27)
4. Problematik der Scheidungskinder
4.1. Negative Auswirkungen der Scheidung
Im statistischen Vergleich schneiden Scheidungskinder schlechter als Kinder aus ungeschiedenen Ehen ab. Ihre Selbstsicherheit, Lebensfreude und -kraft scheinen mehr beeinträchtigt, sie sind anfälliger für körperliche und seelische Störungen und vielleicht, am bemerkenswertesten, weisen sie selbst gegenüber Kindern aus ungeschiedenen Ehen eine um 80% erhöhte Scheidungsrate auf.
Die Resultate von 32 Untersuchungen in den letzten 15 Jahren zeigen, dass die erwachsenen Kinder geschiedener Eltern mehr Probleme und niedrigere Werte in bezug auf ihr Wohlbefinden haben als Erwachsene, deren Eltern verheiratetet blieben. Sie sind häufiger depressiv, fühlen sich weniger mit dem Leben zufrieden, sie sind im Schnitt weniger gut ausgebildet und sie haben weniger angesehene Berufe. Auch ihr Gesundheitszustand ist oft schlechter.
Sie gehen als Erwachsene Beziehungen ein mit dem Gefühl, schlechte Karten zu haben. Häufig bezeichnen sie sich als die Opfer der Scheidung und ihre Kindheit und Jugend als die unglücklichste Zeit ihres Lebens (was man auch verstehen kann und muss).
4.2. Seelische Probleme
Die Scheidung der Eltern ist häufig der Grund für seelische Probleme wie z.b. Beziehungsprobleme, Angst vor einer Heirat, gemischte Gefühle bezüglich Elternschaft (besonders hier ist die Rolle als Vater betroffen) oder die Angst, genau das gleiche zu erfahren - mit 40 geschieden, einsam und depressiv zu sein, wie die eigene Mutter.
Scheidungskinder fühlen sich beraubt und "entrechtet", weil sie nie die Gelegen-heit hatten, liebevolle Beziehungen zu erleben. Dazu kommen Zweifel, Ängste, Überempfindlichkeiten, Wut und der Kampf um die Befreiung von der Ver-gangenheit. Welche Probleme in ihrem Leben auch auftauchen: Scheidungskinder neigen dazu, die Scheidung ihrer Eltern dafür mitverantwortlich zu machen. Die Scheidung untergrub ihr Gefühl für Sicherheit. Immer taucht die Frage auf: "Wie weit kann ich mich noch auf etwas oder jemanden verlassen? Wenn nicht auf meine Eltern, wen noch!??" Ehemalige Scheidungskinder haben große Probleme mit Nähe, Hingabe, und Überantwortung.
Vertrauen ist auch ein großes Problem. Der Glaube an Vertrauen von Scheidungs-kindern wurde von den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, den Eltern, auf schlimmste Weise Gewalt angetan. Wenn hier dann auch noch ausgerechnet die Mutter der Auslöser für die Trennung war, wird in den Kindern oftmals eine so große Zerstörung im eigenen Gefühlsleben vorgenommen, das diese meist nicht mehr reparabel ist (die Mutter steht für die meisten Kinder für Nähe, Liebe und Geborgenheit, und nicht für Zerstörung von Gefühlen und der Familie)! Für zunehmend mehr Paare hat Ehe leider offenbar nur vorübergehende Bedeutung. "Familie" ist dort nur noch zwischenzeitlicher Schutzraum der Kinder, aus dem sie leider oft nicht ohne bedeutende Schäden entlassen werden.
4.3. Selbstanklage der Kinder
Viele Scheidungskinder geben sich selbst die Schuld, dass ihre Eltern sich scheiden ließen. Es liegt in der Natur des Menschen zu denken, dass er eine Eigenverantwortung trägt für Dinge, die um ihn herum passieren, besonders wenn etwas im Familienleben schief läuft. Eltern lassen sich aber aus vielen Gründen scheiden. Es hat immer mit ihrer Beziehung zueinander zu tun und nicht mit der Beziehung zu den Kindern.
Hier ein Zitat von einem 16-jährigen Mädchen: "Ich habe mich lange Zeit heimlich beschuldigt für unser kaputtes und zerstörtes Zuhause. Ich glaubte, ich hätte meinen Vater veranlasst, unsere Familie zu verlassen. Ich war nicht die perfekte Sechzehnjährige, die er sich wünschte. Ich dachte, ich hätte versagt."
Leider sind solche Gedanken bei Scheidungskindern ganz normal. Es ist unsere Aufgabe, den Kinder zu erklären, dass sie keine Schuld an der Scheidung tragen.
4.4. Spätere Auswirkungen auf Ehe und Familie
Scheidungskinder haben häufig Schwierigkeiten, eigene Eheprobleme zuzugeben. Selbst Männer und Frauen, die glauben, die elterliche Scheidung "überwunden" zu haben, haben das Gefühl, ein Familienproblem zu haben, das nicht verschwindet. Das ist in etwa vergleichbar mit Familien, in denen es Fälle von Diabetes oder Krebs gibt. Es bedeutet nicht, dass man zwangsläufig krank wird, aber man ist sich dessen bewusst und denkt zu bestimmten Zeiten häufiger daran. (BEAL 1992, S. 38)
4.5. Das Netz der Beziehungen
Stiefeltern, Stiefgeschwister und Halbgeschwister. Was ist wenn die Eltern sich wieder verabreden? - Das Kind muss sich auf eine Vielfalt von neuen Freunden und Freundinnen einlassen, beim Essen, bei Ausflügen usw. Es ist fast wie ein Karussell nur meistens noch schneller. Dazu kommt häufig keine richtige Vater-Kind bzw. Mutter-Kind Beziehung mehr zustande bzw. nur sehr oberflächlich - "Onkel DAD". Väter, aber immer häufiger auch Mütter, können meist ihre Liebe nur schwer ausdrücken, oft nur mit Geld bzw. Geschenken. Sehr problematisch kann es werden, wenn das Elternteil wieder neu heiratete, oder sofort nach Auszug eine neue Partnerschaft eingeht, bzw. diese schon hat. Eine Beziehung zu neuen Stiefeltern aufbauen, bedeutet zuerst keine stabile Familie mehr. Die Kinder müssen leider lernen, in einer neuen Familienkonstellation zu leben; mit einem Stiefvater, einer Stiefmutter, vielleicht auch Stiefgeschwistern usw. Dadurch entsteht auf der einen Seite meist eine Erleichterung durch weniger finanzielle Probleme und durch die Tatsache, dass das eigene Elternteil nicht mehr allein ist. Auf der anderen Seite treten auch Erschwerungen für das Kind auf: eine neue Bezugsperson kommt ins Spiel und verschiedene andere Umstellungen aller Art - wie z.b. Wohnung, Umzug, Regeln usw.
4.6. Veränderungen
Viele Veränderungen machen das Leben schwerer - Umzug, Schulwechsel, Geldnot, alte Freunde verlassen, neue Freunde finden, das Wissen um Geld-probleme - und die damit verbunden Ängste. Die Scheidung stürzt viele Familien in Armut und beschert anderen langfristige materielle Nachteile. Bevor die Eltern sich scheiden oder trennen ließen, lebte das Scheidungskind mit beiden Eltern-teilen. Nun leben die Eltern in unterschiedlichen Orten und die Wahrscheinlich-keit ist hoch, dass beide jetzt arbeiten gehen (müssen). Es gibt zwei Haushalte und doppelt so viele Rechnungen. Es scheint nie genug Geld zu geben, um die Dinge zu kaufen, die man gerne möchte oder braucht. In jedem Fall wird es immer eine große Veränderung sein.
Es gibt viele Veränderungen, wenn die Eltern sich scheiden lassen. Manche dieser Veränderungen sind z.b.: das Kind sieht beide Elternteile nicht mehr so oft, das Kind hat nicht so viel Taschengeld wie vorher, er/sie kommt nach Hause und keiner ist da, das Kind muss mehr im Haushalt mithelfen, weil es einfach mehr zu tun gibt.
4.7. Schnelleres Erwachsenwerden
Manche Scheidungskinder, besonders die im Teeniealter, übernehmen mehr Verantwortung als sonst üblich in der Familie. Sie sind selbständiger und entscheidungsfähiger. Diese frühe Ausübung von Verantwortung hat Vor- und Nachteile. Manche Scheidungskinder fühlen sich überfordert, aber bei den meisten klappt es gut. Schwieriger wird es, wenn Scheidungskinder die Eltern mit all ihren Schwächen und Zweifeln sehen. Einige Scheidungskinder beklagen den Verlust ihrer Kindheit. Manche Kinder tauschen die Rollen von Kindsein und Erwachsensein - d. h. obwohl noch Kind übernehmen sie die Verantwortung des fehlenden Elternteils. Das Kind versteht sich sozusagen als Mann des Hauses mit 10 Jahren.
4.8. Zusammenfassung
Die Beziehung von Kindern zu beiden Elternteilen hat sich nach der Scheidung dramatisch verändert. Scheidungskinder haben einen wichtigen Teil ihres Lebens in einer Familienkrise verbracht. Sie fühlen sich betrogen, und ihrem Gefühl für Vertrauen wurde brutal Gewalt angetan - ein Thema, das sie ihr Leben lang beschäftigen wird. Sie werden mit einem komplexen Gewebe von Beziehungen konfrontiert, dem sich Kinder aus Familien, die zusammenbleiben, nicht zu stellen haben. Scheidungskinder fühlen sich oft von der Familie abgeschnitten, manchmal verlieren sie einen ganzen Familienzweig (z.b. die Eltern des Vaters).
Sie neigen dazu, für die Existenz ihrer Probleme die Scheidung der Eltern verantwortlich zu machen. Akute (kurzfristige) Scheidungsauswirkungen wie Wut, Zorn, Verwirrung usw. werden erwartungsgemäß auftauchen und mit der Zeit eventuell abklingen. Die chronischen (langfristigen) Folgen wie z. B. Minderwertigkeitskomplexe, Misstrauen gegenüber anderen, Angst vor Liebe und Verantwortung usw., können lange Zeit ruhen und ernst nach Jahren zutage treten, wenn die Kinder erwachsen werden und versuchen, intime Beziehungen oft ohne Erfolg einzugehen.
5. Gesprächsgruppe für Scheidungskinder
Ich habe 6 Monate lang eine Gesprächsgruppe für Scheidungskinder im Haus der Jugend, eine öffentliche Jugendeinrichtung in Itzehoe, gehalten. Dabei entdeckte ich, dass Scheidungskinder nicht gerne über ihre besondere Situation sprechen wollen. Es ist für sie auch sehr intim, sehr privat. Viele Scheidungskinder schämen sich sehr, dass sich ihre Eltern getrennt haben. Ich habe gemerkt, dass kaum eine Person zu dieser Gesprächs-gruppe kam, es sei denn, sie fühlte sich sehr schlecht, sie könne nicht anders oder eine gute, persönliche Beziehung oder Einladung ging voraus.
Es entsteht unter Scheidungskindern häufig der Eindruck, als wären sie die einzigen Scheidungskinder der Welt, was natürlich nicht stimmt. Aber weil man kaum darüber spricht, fühlen sich viele Scheidungskinder so allein.
Solch eine Gesprächsgruppe wäre eine optimale Gelegenheit. Als Vorlage für diesen Kurs habe ich ein Arbeitsheft aus dem englischen ins deutsche übersetzt: "Kinder, eingefangen in der Mitte". Dieses Buch eignet sich hervorragend für Gesprächsgruppen für Scheidungskinder im Alter von ca. 13-19 Jahren. Auch einzelne Scheidungskinder können dieses Buch durcharbeiten; es wird sehr viel helfen.
6. Anknüpfung
Scheidungskinder haben häufig besondere Probleme im Glauben an das Gute im Menschen. Ich möchte kurz erklären, welche Probleme speziell mit Scheidungskindern auftreten können und Ratschläge geben, wie geholfen werden kann.
6.1. Vertrauen gewinnen
Scheidungskinder haben oft ihre Vertrauensperson in ihrer Kindheit verloren. Der Mensch, von dem sie eigentlich Vertrauen lernen sollten, hat sie verlassen, oder dafür gesorgt das ihre Familie zerstört wurde! Das tut weh. Immer taucht die Frage auf: Wie weit kann ich mich noch auf etwas oder jemanden verlassen? Wenn nicht auf meine Eltern, wen noch? Scheidungskinder kommen sehr schnell zu der Ansicht: Man kann niemandem mehr, außer sich selbst, vertrauen. Diese Ansicht übertragen sie. Dadurch haben sie manchmal gewaltige Probleme, zu vertrauen. Sie haben Angst, verletzt zu werden. Scheidungskinder müssen lernen, ganz neu zu vertrauen, und dies braucht nicht selten sehr viel Zeit.
6.2. Heilung von inneren Verletzungen
Bei Scheidungskindern tritt sehr oft eine Vielfalt von inneren Verletzungen auf, wie z.b. mangelnde Selbstsicherheit, Depression, Zweifel, Ängste, Über-empfindlichkeit, Wut und der Kampf um die Befreiung von der Vergangenheit. Diese Probleme werden nicht mit Gesprächen aus der Welt geschafft. Scheidungskinder benötigen meistens eine sehr lange, intensive, Betreuung. Sie neigen dazu, egal welche Probleme in ihrem Leben auftauchen, die Scheidung ihrer Eltern dafür mitverantwortlich zumachen. Dadurch haben sie eine einfache Entschuldigung für ihr Benehmen; nach dem Motto: Dafür kann ich nichts, meine Kindheit war schlecht.
Scheidungskinder haben auch große Probleme mit Nähe, Hingabe, und Überantwortung. Wir müssen Scheidungskindern helfen, Schritt für Schritt diese inneren Verletzungen nach außen zu bringen. Dabei ist es sehr hilfreich, die Scheidungskinder dahin zu führen, ihren Eltern, oder dem Elterteil welches die Trennung veranlasst hat, zu vergeben.
6.3. Leid und die Frage -"Warum lässt Gott das zu?"
Diese Frage taucht sehr häufig bei Scheidungskindern auf! "Wenn Gott mich wirklich liebt, wieso hat er nicht etwas dagegen unternommen?" Wir werden darauf vermutlich nie eine befriedigende Antwort geben können. Wichtig ist, den Scheidungskindern zu zeigen, dass jeder Mensch seinen eigenen, freien Willen hat und Gott es zulässt, dass die Menschen so handeln und tun wie sie wollen. Gott würde auch gerne eine perfekte Welt, befreit von Schmerz und Leid haben (so war es schließlich gedacht).
6.4. Männliche/Weibliche Identität und Sexualität
Viele Scheidungskinder haben Probleme, ihre eigene Sexualität voll zu akzeptieren. Dies ist meist das Resultat von einer fehlenden Mutter bzw. einem fehlenden Vater. Mädchen und Jungen brauchen eine Mutter UND einen Vater in ihrer Kindheit, sowie eine intakte Familie, um ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ohne Väter neigen Jungen dazu, sogenannte "Softies" zu werden, oder aber sie schlagen genau in die andere Richtung aus, indem sie ein richtiger "Macho" werden, nicht selten auch gewalttätig. Bei Mädchen ist es ähnlich. Viele Frauen haben absolut keinen Selbstwert, weil sie nie von ihrem Vater oder sonst jemandem (der keine sexuelle Beziehung zu ihnen hatte) gehört haben, dass sie schön oder attraktiv sind, und einmal ohne Hintergedanken in den Arm genommen wurden. Diese Frauen leiden dann später oft unter dem sogenannten Vaterkomplex und sind häufig nicht in der Lage eine dauerhafte Beziehung aufzubauen, sondern flüchten ständig von einer, meist nur auf das rein sexuelle aufgebauten, Beziehung in die nächste.
Besonders die sexuellen Werte sind häufig verschoben, weil das Vorbild, die entsprechende Stabilität und anschauliche Zärtlichkeit, einer normalen Ehe fehlte. Kaum ein Scheidungskind wurde von den Eltern aufgeklärt; sie lernten alles von ihren Freunden und den Medien.
6.5. Familie nach Plan
Scheidungskinder haben fast immer Angst vor einer Ehe, Familie und allem, was dazu gehört. Sie haben Angst, genau die gleichen Fehler zu machen wie ihre Eltern. Sie verbinden häufig Ehe und Familie mit Schmerz und Leid und deshalb wollen sie keine. Scheidungskinder haben ganz oft keine Vorstellung von einer intakten Familie und deshalb denken sie, sie können auch keine intakte Familie haben bzw. erleben. Sie wollen sich, dem Partner und eventuellen Kindern all den Schmerz und das Leid, das sie als Scheidungskind erleiden mussten, ersparen.
Besonders hier sind sehr viele Männer betroffen. Sie sind zum größten Teil vaterlos aufgewachsen und fühlen sich völlig überfordert, selbst Vater zu sein, weil sie nie ein richtiges Vorbild hatten. Sie glauben, sie können kein Vater sein, geschweige denn ein guter. Er denkt: ,Mein eigener Vater hat es nicht geschafft, wie soll ich es dann schaffen?'. Hier wäre es meiner Meinung nach wichtig, Scheidungskindern die Gelegenheit zu geben, heile Familien im Alltag kennen-zulernen. Das würde bedeuten, eine alleinstehende Frau oder einen allein-stehenden Mann und ihre Kinder zu einem Ausflug einzuladen, zum Grillen oder einfach mal so den Nachmittag zu verbringen.
Wo schon intensiver Kontakt besteht, ist es hilfreich, sich dem Kind als "fehlender Ansprechpartner" anzubieten. D. h., wenn das Kind keinen Vater hat, dann dürfte er über "Männersachen" gerne mit dem Vater der intakten Familie sprechen und natürlich auch umgekehrt. Jedoch sollte vorher bedacht werden, worauf man sich einlässt. Es bedeutet: das Kind darf jederzeit (24 h pro Tag) mit mir sprechen und an meinem tiefsten Inneren teilhaben. Und dieser Kontakt sollte nie vom Ansprechpartner beendet werden, sonst wird das neu gefasste Vertrauen endgültig zerstört.
7. Hilfestellungen
7.1. Stadien der Erholung nach der Scheidung
Viele Gefühle folgen einer Scheidung. Jüngere Kinder sprechen von Bosheit, Trauer, Ärger, und Fröhlichkeit. Diese Gefühle sind nach einer Scheidung normal. Nach jeder Tragödie, auch einer Scheidung, haben Menschen die gleichen Gefühle. Man nennt sie: Verleugnung, Ärger, Verhandeln, Depression, und Annahme.
7.1.1. Verleugnung
Ein Scheidungskind in dieser Phase der Erholung würde etwa folgendes sagen: "Mir gehts gut. Es beunruhigt mich gar nicht. Vielleicht ist es das Beste für uns alle. Es ist das Beste, das hätte geschehen können. Ich fühle mich großartig." Häufig sagen Scheidungskinder solche Worte, aber innerlich fühlen sie sich echt dreckig. Das ist Verleugnung. Wenn man etwas verleugnet, dann gibt man nicht zu, dass es wahr ist. Ein Scheidungskind verleugnet häufig, dass die Scheidung wirklich passiert ist, oder dass seine Eltern sich für immer trennen, oder dass ein oder beide Elternteile etwas falsch gemacht haben, oder dass man sich furchtbar fühlt. Verleugnung ist eine normale Reaktion - zu Beginn. Schließlich aber muss man den Tatsachen ins Auge sehen und den Gefühlen Raum geben. "Es ist leider passiert. Es kann wahrscheinlich nicht rückgängig gemacht werden. Und es tut sehr, sehr weh."
7.1.2 Ärger
Eine typische Reaktion von jemandem, der Ärger empfindet ist: "Warum tun meine Eltern das? Wissen sie nicht, dass sie mein Leben dadurch ruinieren? Warum tut mein Vater (oder meine Mutter) so etwas doofes und verlässt uns? Warum tue ich nichts, um die Ehe zu retten. Warum lässt man das zu?" Nachdem man den Tatsachen ins Auge gesehen hat, könnte und kann man wirklich ärgerlich werden. Man räumt sich vielleicht sogar ein gutes Recht ein, sich zu ärgern. Was machen Scheidungskinder aber mit diesem Ärger?
Hier sind vier Möglichkeiten, den Ärger herauszulassen.
Zorn. Das Scheidungskind hat einen Wutanfall, schmeißt Sachen um sich herum, schreit alle Leute um sich herum an. Zorn kann destruktiv sein, aber für manche Menschen ist es die einzige Möglichkeit, die sie kennen, um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen.
Unterdrückung. Man frisst alles in sich hinein, und man kocht. Nach außen hin versucht man ruhig zu bleiben, aber innerlich tobt ein Atomkrieg. Manchmal tut man Sachen, um sich selber weh zu tun.
Entschlossenheit. Man geht zu der Person, über die man sich ärgert und sagt: "Ich bin sauer auf dich. Die Gründe dafür sind ... Was können wir da tun?". Manchmal kann nicht alles dadurch in Ordnung gebracht werden, aber es ist eine positive Möglichkeit, mit solchen Gefühlen umzugehen.
Umleitung. Man schmeißt diese ganze böse Energie in eine andere Aktivität. Man übt Klavier bis zum Umfallen oder spielt Fußball mit Vergeltung oder machst Stickerei wie eine Verrückte. Dies ist auch eine gute Möglichkeit, mit Ärger umzugehen.
Es ist normal, Ärger zu empfinden, aber man muss lernen, Ärger konstruktiv zu benutzen. Schlecht kontrollierter Ärger verursacht Probleme und macht nichts besser.
7.1.3. Verhandeln
Jemand in dieser Phase würde typischerweise so reagieren: "Weißt du was, Mutti, Vater hat nach dir gefragt. Ich glaube, er ist noch an dir interessiert. Du weißt schon, dass dein neuer Freund ein Verbrecher ist? Lieber Gott, wenn du meine Eltern wieder zusammenbringst, dann werde ich dir meine ganze CD-Sammlung geben und Mönch werden."
Verhandeln ist der Versuch, eine einfache Lösung für eine komplexe Situation zu finden. Es ist der Versuch, Leute zu manipulieren, damit sie das tun, was man möchte. Manchmal beinhaltet es zu lügen oder zu betrügen, aber man sagt sich, es ist für einen guten Zweck. Die Idee ist: "Mensch, ich kann doch bestimmt etwas tun, um diese Situation umzukehren." Aber das kann man leider in den meisten Fällen nicht!
7.1.4. Depression
Jemand, der in die Phase der Depression kommt, hat meist einen langen und harten Weg vor sich. Er würde möglicherweise so etwas sagen bzw. denken. "Was für einen Sinn hat das Leben überhaupt? Nichts macht mehr Spaß. Wenn es nicht wieder wird wie es einmal war, dann ist es nichts mehr wert. Geh weg, lasst mich in Ruhe. Das Leben stinkt!" Viele Scheidungskinder fühlen sich so, nachdem es mit dem Verhandeln nicht geklappt hat. Es scheint keine Hoffnung zu geben, man weiß nichts mehr zu tun. Depression ist die natürliche Folgerung von Verleugnung, Ärger und Verhandeln. Man hat seinen Tiefpunkt erreicht. Jetzt gibt es nichts anderes, als nach oben zu gehen, denn tiefer geht es nicht mehr. Diese traurigen Gefühle können ein Jahr und länger anhalten. Was kann man aber machen? Man muss es einfach abwarten. In der Zwischenzeit, muss man sich dazu zwingen, gesund zu essen, richtig zu schlafen (nicht zu viel und nicht zu wenig). Es ist auch eine Hilfe, etwas Gutes über sich selber zu hören. In erster Linie sollte sich ein erreichbares, gutes Ziel gesetzt werden, und sei es scheinbar noch so sinnlos. Bei kritischen Fällen (Selbstmordgedanken) sollte unbedingt das Gespräch mit einem Therapeuten gesucht werden. Leider nimmt die Zahl dieser Fälle stetig zu!
7.1.5 Annahme
In dieser letzten Phase könnte der Betroffene so etwas sagen: "Es ist passiert; es tut weh. Es wird schwierig sein, mein Leben wieder zu ordnen, aber nichts kann die Vergangenheit ändern. Ich kann nur vorwärts in die Zukunft gehen. Ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen."
Annahme ist nicht irgendein Freudenakt. Er bedeutet nicht, dass alle Probleme gelöst sind. Er akzeptiert nur, das was passiert ist und fängt an, in die Zukunft zu schauen. Manchmal erkennt man sein eigenes Wachstum durch diese schwierige Erfahrung. In machen Fällen kommt Annahme sehr plötzlich. Eines morgens wacht man auf und sagt: "Mensch, ich werde es doch schaffen." In anderen Fällen ist es ein langsames Erkennen von der großartigen Zukunft, die auf einen wartet. Manchmal erreicht man einen Punkt der Annahme, und danach fällt man wieder zurück in Ärger oder Depression.
Der Prozess der Wiederherstellung nach einer Scheidung ist ähnlich wie ein Abwärtsgefälle mit einer Erhebung am Schluss.
Annahme
Scheidung
Verleugnung
Ärger
Verhandeln
Depression.
Es ist für viele Scheidungskinder eine große Hilfe zu wissen, welche Phase noch auf einen zukommt.
7.2. Ratschläge
Eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen, häufige Besuche bei und Telefonate mit dem Elternteil, der das Sorgerecht nicht hat, hilft zu verhüten, dass viele chronische Folgen an Scheidungskindern nagen und sie das ganze Leben lang prägen. Tatkräftige Unterstützung - durch eine Tante, eine Großmutter, den besten Freund - kann bedeutsam für die Art und Weise sein, wie ein Kind diese sehr schwierige Zeit übersteht, in der ihm seine Eltern wahrscheinlich weniger zur Verfügung stehen. Hier sind einige Tipps, um diese ganze Problematik zu lindern.
Je besser der sorgeberechtigte Elternteil mit seiner Aufgabe zu Rande kommt, desto besser wird die Anpassung der Kinder (an die neue Umgebung, das neue Umfeld, neue Freunde) gelingen.
Je weniger die Kinder dem Konflikt zwischen beiden Eltern ausgesetzt sind, desto besser wird ihre Anpassung gelingen.
Je regelmäßiger, die Kinder den nichtsorgeberechtigten Elternteil besuchen, desto besser wird ihre Anpassung gelingen. (FURSTENBERG1993, S. 166)
Selbsthilfegruppen besuchen. - Da geht es um das Gefühl der Isolierung und Stigmatisierung, das die Kinder empfanden, um die Frage, wie sie sich aus dem Konflikt der Eltern möglichst heraushalten können, und um den Umgang mit Wut, Trauer und Zorn. (FURSTENBERG 1993, S. 171)
8. Zusammenfassung
Ich hoffe das ich mein Ziel erreicht habe, hauptsächlich Eltern, Jugendlichen, und Jugendleitern Hilfestellungen im Umgang mit Scheidungskindern zu geben. Ich habe keine Abhandlung geschrieben, sondern versucht, praktische Ratschläge zu diesem Thema zu geben. Versucht, die Scheidung aus der Sicht eines Kindes zu erläutern. Wie ein Kind die Scheidung als Prozess empfindet und wie die Krise bewältigt werden kann. Scheidungskinder haben direkt nach der Scheidung besondere Bedürfnisse und Gefühle. Vergessen dürfen wir nie, dass viele Scheidungskinder sich mitverantwortlich fühlen für die Scheidung. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu vermitteln, dass sie keine Schuld tragen. Ich habe mich auf Scheidungskinder und ihre besondere Problematik konzentriert. Speziell die sehr negative Auswirkung einer Scheidung auf das Leben eines Kindes und die viel tiefgehenderen, seelischen Probleme, oder die völlig neuen bzw. veränderten Beziehungen zu neuen stief-, halb- und leiblichen Familienmitgliedern. Scheidungskinder haben mit vielen Veränderungen und verfrühter Übernahme von Verantwortung in der Familie zu kämpfen. Die Gemeinschaft muss sich fragen, wie den besonderen Schwierig-keiten von Scheidungskindern begegnet werden kann in Bezug auf folgende Fragen: Vertrauen wieder neu lernen, Leid und Schmerz, inneren Verletzungen, Sexualität und Ehe. Immer mehr Menschen kennen wir, die geschieden oder selbst Scheidungskinder sind. Wir können die Zeit für sie leider nicht zurückdrehen und alles gut reden. Wir müssen diesen Menschen und ihre besonderen Probleme bewegen und unbedingt versuchen zu helfen.
Als Hilfe dafür habe ich einen typischen Prozess des Trauerns gezeigt, durch den fast jedes Scheidungskind geht. Die Schritte von Verleugnung, Ärger, Verhandeln, Depression, und Annahme wurden ausführlich behandelt. Danach gab ich weiter Tipps, wie Scheidungskinder die erste Zeit nach der Scheidung leichter überleben können.
Ich hoffe, dass diese Arbeit nicht nur geschrieben wurde, um im Archiv zu landen und nie richtig verstanden zu sein. Es ist mein Wunsch, dass viele Scheidungskinder in Deutschland von diesen Impulsen profitieren können, weil einige Gruppen sich dadurch mit diesem Thema intensiver beschäftigen werden, um das Leid und die Not unserer Kinder zu lindern. Auch bin ich fest davon überzeugt, das der Großteil der Scheidungen nicht hätte stattfinden müssen, wenn die Eltern nur in der Lage gewesen wären miteinander zu reden, und Einwirkungen von außen einen klaren Riegel vorgeschoben hätten. Reden und Zusammenhalt sind die Fundamente eine Ehe und einer glücklichen Kindheit.
Doch leider werden immer mehr Kinder dieser Kindheit beraubt, brutal beraubt durch gerade die Personen zu denen sie das größte Vertauen hatten, von ihren Eltern!