Wie fange ich am besten an... Vielleicht mit ein paar Worten über mich.
Ich bin 21, werde im Januar 22, und muss immer noch zu Hause wohnen.
Eigentlich sollte ich dankbar dafür sein, dass ich ein Dach über dem Kopf habe, aber der Haussegen hängt mehr als schief und ich scheine die Einzige zu sein, die das merkt.
Ich habe einen älteren Bruder (jetzt 27) der bis vor etwa 3 Jahren noch bei uns wohnte, bevor er im Ort umzog.
Angefangen hat alles, als ich etwa 14 war. Ich weiß nicht genau woran es gelegen hat, aber seit der 8. Klasse waren meine schulischen Leistungen stetig gefallen. In den Jahren hatte ich öfters Probleme in der Schule, besonders Probleme mit manchen Lehrern. (Es gab auch das ein oder andere Schulgespräch, aber das hatte nie was gebracht, denn mein Vater stellte sich lieber auf die Seite des Lehrers, statt zur Tochter zu stehen und wenigstens neutral zu bleiben.)
Seither zieht es sich wie ein roter Faden durch mein bisheriges Leben, dass mich meine Eltern weder ernst nehmen, noch respektieren. Im Gegensatz dazu meinen Bruder jedoch sehr. Ständig muss ich um jedes bisschen Anerkennung und Liebe kämpfen und habe bisher fast alles dafür getan. Aber vergeblich. Dann wurde es für mich zur echten Belastung und es wirkte sich psychisch wie auch körperlich aus.
Erst dachte ich, es wird besser, wenn ich mein Abitur beim ersten Mal schaffe und nicht wie mein Bruder erst im zweiten Anlauf. Aber da hieß es nur von meinem Vater Ich mach drei Kreuze, dass die Probleme mit den Lehrern vorbei sind. Kein Lob für mich. Dann dachte ich mir, ich mache eine gute Ausbildung um Geld zu verdienen und auszuziehen um mir etwas Eigenes aufbauen zu können. Wie das Schicksal es wollte, landete ich bei der Physiotherapie, inzwischen dem Traumberuf meines Lebens, wobei ich jedoch nichts verdiente, da es eine schulische Ausbildung war, aber ich war ein sehr guter Lehrling. Hier war der Kommentar des Vaters Hättest du dir nicht einen richtigen Beruf aussuchen können? (Damals hatte ich 80 Bewerbungen verschickt, doch nur bei der Physiotherapie hats geklappt). Dann dachte ich, wenn ich die Ausbildung gut abschließe, und dann nen Job bekomme, kann ich endlich Geld verdienen und ausziehen. Leider gabs auch hier keine Anerkennung. Man denkt auch immer noch Physiotherapie sei nur ein bisschen Rummassieren.
Mein Bruder hingegen, ist nach seiner Ausbildung zur Bundeswehr als Soldat auf Zeit gegangen. Das schmeichelt dem Vater natürlich, da kann man stundenlang drüber reden und Geschichten von der NVA erzählen usw. Auch bei den Nachbarn und Bekannten kommt das gut an. *zwinker* Mein Bruder hatte auch eine 3-jährige Beziehung während ich noch nie einen festen Freund hatte. Der neue Audi vom Bruder ist trotz Kredit natürlich auch viel besser als mein kleiner Honda, den ich mir vom Mund abgespart hab. Ich kann machen was ich will, alles was mein Bruder macht ist immer besser. Dabei kriegt er sein Leben auch bloß nicht auf die Reihe, und brauch immer einen Rockzipfel, an dem er hängen kann, aber das ist ein anderes Thema. Der schöne Schein ist da und nur das zählt.
In der ganzen Zeit gab es Konflikte und Streits zur Genüge, angefangen bei kleinen Dingen, an denen man sich hochschaukelte und bei denen die ältesten Kamellen angesprochen wurden bis hin zu immer neuen Vorwürfen und Spitzen. Während ich von meiner Mutter regelmäßig zu hören bekomme, ich würde doch nur lügen, machte der Vater immer nur den Fernseher lauter, wenn ich mit ihm reden wollte (über Probleme usw.). Und wenn ich reden konnte, wurde mir aber längst nicht zugehört, bzw. es wurde immer abgewunken und mit Ach Quatsch kommentiert. Vor allem, wenn es um familiäre Dinge ging.
Das Resultat meiner Kindheit ist, dass ich sehr wenig Selbstvertrauen habe, auch wenig Vertrauen anderen Gegenüber, und auch wenig Selbstwertgefühl. Deshalb kam es während meiner Ausbildung dazu, dass ich zu ritzen begann, regelmäßig und über Monate hinweg. Meinen Eltern entging das, denn sie hielten sich die Augen zu. (Ich meine es so, wie ich es schreibe). Aus Eigeninitiative heraus suchte ich eine Psychiaterin auf. Ich wusste, dass mein Zustand nicht normal ist und wollte auch wissen, warum ich so wenig mit der Welt klarkomme und vor allem, wie ich es ändern kann.
Meine Therapeutin kam dann sehr schnell zu dem Schluss, dass es an meiner Familie, vorrangig an meinen Eltern liegt. Um die ganze Sache noch besser auf den Punkt zu bringen, schreibe ich euch mal ein paar Zitate meiner Familie auf:
Mein Vater vor einigen Jahren: Verschwinde aus unserem Leben, du Schmarotzer!
Mein Vater vor einigen Wochen, am selben Tag als ich meine 15jährige Katze habe einschläfern lassen müssen: Pack doch deine Sachen und hau ab! Im selben Streit hob er die Hand und wollte mich schlagen, was er dann aber doch ließ.
Meine Mutter ist wie bereits gesagt, davon überzeugt, dass ich ständig lüge und findet in jeder Situation einen Punkt der Kritik, den sie natürlich sofort anspricht.
Mein Bruder vor einigen Jahren: Ohne dich war alles schöner.
Mein Opa an meinem 21. Geburtstag: Schau dich doch an, du hast keinen Freund, du hast nichts! (Er ist so konventionell eingestellt, dass man mit 18 heiraten sollte und eine Familie gründen sollte, nebenbei viel Geld verdienen sollte, nur dann ist man was wert, erst recht als Frau).
Meine Oma in abfälligem harschen Ton letztes Jahr zu Weihnachten beim Griechen auf meine Frage hin, ob ich noch ein Eis bestellen darf: Nein, du zerrührst das Eis immer so und die geben sich so viel Mühe. (So ein Streit ist in meinen Augen absolut überflüssig)
Selbe Oma am Heiligabend, als ich von meinem Minijob erzählte: Unterschreib erstmal den Vertrag. Noch hast du nichts sicher. Ich glaube, selbst wenn ich den Job bekomme, bin ich in ihren Augen arbeitlos und somit wertlos.
Meine Tante vor ein paar Jahren zu Weihnachten zu meinem Bruder, mich ignorierend während ich daneben stand: Na mein Lieblingsneffe.
Der einzige, der mich in der Familie so akzeptiert, wie ich bin und mich versteht, ist mein anderer alleinlebender Opa, der aber im 200km entfernten Pirna im Erzgebirge wohnt.
Ich bin nun seit Monaten verzweifelt auf Jobsuche, habe nun wie bereits erwähnt wenigstens eine Anstellung auf 400-Euro-Basis, doch für eine Wohnung reicht das nicht.
Es vergeht kein Tag, an dem es keinen Streit gibt und ich bin schon dazu übergegangen, einfach immer den Raum zu verlassen und auf mein Zimmer zu gehen, um Schlimmeres zu vermeiden. Eine Problemlösung ist schon lange nicht mehr in Aussicht. Es dümpelt nur alles vor sich hin und wird mal hier mal da neu durchgekaut. Inzwischen ist da auch eine riesige Mauer zwischen meiner Sippe und mir, Zuneigung kann ich aus Selbstschutz schon lange nicht mehr aufbringen.
Mich zurückziehen funktioniert auch nicht mehr, denn ich nehme den Ärger immer mit und schluck ihn runter. Ich bin dadurch auch sehr unausgeglichen, habe zwar dank meines Kampfsports wenigstens ein kleines Ventil, wo ich meine Aggressionen rauslassen kann, aber das reicht bei Weitem nicht. Meine Therapeutin meint immer, ich kann meine Eltern nicht verändern, ich kann nur für mich selbst sorgen und das versuche ich auch. Ich schaue, dass ich soviel Geld wie möglich sparen kann um schnellstmöglich besser dazustehen, aber es geht einfach nicht voran. Ich erwähne mal an der Stelle, dass ich nicht einmal HartzIV bekomme, obwohl auch mein Vater arbeitlos ist und meine Mutter allein für uns verdient.
Ich versuche immer Verständnis für meine Eltern aufzubringen, denn sie haben es auch nicht leicht, aber ich halt das nicht mehr lange aus. Egal was ich mache, es ist immer alles schlecht und nicht im Ansatz gut genug. Mein Bruder hingegen ist das Kind aller Träume. Aber irgendwie ist man ja verpflichtet das schwarze Schaf der Familie (mich) auch durchzubringen.
Eine harmonische Familie sind wir schon lange nicht mehr, doch meine Eltern streiten dies immer ab. Sie nehmen es nicht einmal war, dass ich eine Psychotherapie mache. Dieses ganze Thema, und somit auch ich, wird bis zum letzten Rest unter den Teppich gekehrt.
Meine Frage ist nun, wer von euch hat Ähnliches durch und kann mir einen Rat geben, wie ich die Zeit bis ich endlich ausziehen kann, noch überstehe ohne noch komplett auszurasten?
Mich würde auch interessieren, ob es eine Chance gibt, dass ich mich besser fühle, wenn ich erst einmal ausgezogen bin, oder ob ich mir hier umsonst Hoffnung auf ein friedliches Leben mache?
Ich bin nämlich momentan äußerst unglücklich über die ganze Situation und stehe abgesehen von meiner Therapeutin und ein paar Freunden allein damit da.
Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, den ganzen Text durchzulesen!
Liebe Grüße,
Miss Sugarpearl