galya_12350042Es ist immer wieder erstaunlich,
daß sich einige Menschen im WWW dazu berufen fühlen, altkluge und für einen wahrhaft Verzweifelten obendrein vollkommen inhaltsleere Ratschläge zu erteilen, ohne sich auch nur eine Spur Gedanken darüber zu machen, was derart herablassend klingende Worte bei jemandem, der ohnehin offensichtlich schon am Boden zerstört ist, am Ende anrichten können. Ich nenne das nicht unhöflich, sondern äußerst gefühllos, wenn nicht sogar verantwortungslos!!!
Da muß man sich fragen, worum es bei solchen Kommentaren überhaupt geht...? Um Nächstenliebe und wahre Hilfestellung oder nur um den Glanz der eigenen Binsenweisheit?
Nun, und warum inhaltsleer? Menschen, die im WWW bzgl. derart persönlicher Belange Hilfe suchen, sind nicht doof, sie sind verzweifelt. Nur um das mal klar zu stellen.
Man kann davon ausgehen, daß sich die meisten Menschen in ihrer ausweglosen Situation bereits 100fach überlegt haben, wie sie das Beste daraus machen können... (...und vermutlich sind einige von ihnen auch nur deshalb noch am Leben). So verwundert es überhaupt nicht, daß viele Menschen in ähnlichen Situationen durch die immerwährende Suche nach Anerkennung und dem Streben nach Glück und Idealen bereits ohnehin sozial sehr engagiert und/oder auch beruflich sehr erfolgreich sind.
Sicherlich kann es nicht schaden für den Fall der Fälle noch einmal auf etwaige Ersatzbefriedigungen hinzuweisen - jedoch denke ich, daß man den Hilfesuchenden nicht noch zusätzlich degradieren sollte, indem man prinzipiell erst einmal davon ausgeht, daß er derart unmündig ist, daß er noch nicht einmal versucht haben könnte, durch die erwähnten (und naheliegenden) Mittel sein Leiden zu kompensieren.
Daß man sich die eigenen Eltern nicht aussuchen kann (außer man glaubt einigen esoterischen Weisheiten), ist klar.
Daß fehlende Elternliebe am Ende wohl durch nichts und niemanden wahrhaft ersetzt werden kann, ist auch klar - vermutlich sogar demjenigen, der neue Eltern sucht.
Da das lebenslange Suchen jedoch nie aufhören wird, ist auch der Gedanke an neue Eltern immerhin wohl einen Versuch wert. Und wenn am Ende wenigstens der Triumph bleibt, daß es doch Menschen gibt, die bereit wären oder sind, sich dem verstoßenen (inneren) Kind als ("verdiente") Eltern anzunehmen. Vielleicht spricht man ja heutzutage nicht umsonst von Wahlverwandtschaften.
Daß man sich den "Titel Eltern nicht verdienen muß", ist einerseits auch klar und andererseits auch Blödsinn. Natürlich bleiben biologische Eltern immer biologische Eltern. Allerdings kann man dennoch zwischen "verdienten" und "unverdienten" Eltern zumindest auf emotionaler Ebene doch sehr wohl unterscheiden (wenn man will... oder man kann auch jeden Ausdruck zerpflücken und negativ auslegen, ohne ihn wahrhaft verstehen zu wollen). Immerhin soll es ja auch Adoptivkinder geben, die bei ihren "verdienten" Eltern emotional durchaus ein glückliches Zuhause gefunden haben.
Wer wann wie und wo und warum "erwachsen" zu sein oder zu werden hat, liegt, glaube ich, nicht im Ermessen von - sorry - Möchtegernratgebern. Abgesehen davon, daß ich der Meinung bin, daß Kinder ohnehin zumeist sehr viel mehr Weisheit besitzen als die von fragwürdiger Erziehung, schlechten Vorbildern und seltsamen gesellschaftlichen Normen verdrehten Erwachsenen.
"Das Leben selbst in die Hand nehmen" - Wie bereits erwähnt, haben Menschen mit familiären Defiziten - zumindest nach außen - ihr Leben oft mehr im Griff als manch andere - einfach weil ihnen nie etwas anderes übrig geblieben ist - entweder hinlegen und sterben oder nach vorne sehen und kämpfen. Ein solches Leben innerlich in den Griff zu bekommen, kann man weder befehlen - noch kann jemand, der es nicht selbst aus einer solchen Situation heraus geschafft hat, wohl in der Lage sein, dafür ein Patentrezept an die Hand zu geben.
"Mit dreißig keine Eltern mehr nötig haben" - soulfly, wie alt sind Sie? Haben Sie noch Eltern? Haben oder hätten Sie in der Tat die Nähe und Wärme ihrer Eltern nicht mehr nötig? Oder war dies wieder eine dieser - ups - altklugen und inhaltsleeren Binsenweisheiten? Sicherlich braucht man keine Mami mehr, die einem die Wäsche wäscht und keinen Papi, der einen zum Tanzkurs fährt - aber das steht ja wohl auf einem vollkommen anderem Blatt, nicht wahr??
"Liebe Menschen finden, die einen verstehen" - vermutlich war das das eigentliche Ansinnen des Fragestellers. Warum kommt es mir nur so vor, als sei hier zunächst einmal eher das Gegenteil eingetreten...?