Hallo,
wir, mein Mann und ich, leben in einer Patchworkfamilie.
Mein Mann hat zwei Kinder aus erster Ehe und ebenso ich.
Inzwischen lebt nur noch mein Sohn, knapp 20 Jahre alt, bei uns im Haus. Leider ist das Verhältnis zwischen meinem Mann und meinem Sohn nicht gut. Mein Mann kritisiert meinen Sohn sehr viel. In seinen Worten meinem Sohn
gegenüber steckt wirklich sehr viel Ablehnung. Er hat meinem Sohn gegenüber praktisch nie wirkliches Interesse gezeigt. Liebe kann man natürlich nicht erzwingen, aber ein Grundinteresse wäre wichtig gewesen und immer noch wichtig. Für meinen Mann war und ist es immer das Wichtigste, daß alle Regeln beachtet werden. Er interessiert sich überhaupt nicht an Gesprächen mit meinem Sohn. Bei Tisch ist die Situation eigentlich immer so, daß ich mich entweder mit meinem Mann oder mit meinem Sohn unterhalte. Wenn ich das Wort an meinen Sohn richte, klinkt mein Mann sich gedanklich sofort aus. Wenn mein Mann redet, dann redet er nur zu mir, er schaut meinen Sohn nie an. Selbst wenn mein Sohn ihn direkt etwas frägt, dann kommt es oft genug vor, daß mein Mann die Antwort an mich richtet, d.h. mich anschaut, während er antwortet. Ich finde das Desinteresse an meinem Sohn kränkend.
So gibt es auch keine Anerkennung meinem Sohn gegenüber, kein Interesse an seinem Zivildienst, an seinen Hobbies (er singt in einer Band) etc. Das tut mir immer wieder sehr weh. Und meinem Sohn auch. Mein Mann kritisiert ihn auch viel. Er macht dies nicht, er macht jenes nicht.Vieles davon stimmt zwar. Aber ich finde und so habe ich es meinem Mann gegenüber erklärt, er sollte keine Kritik an meinem Sohn üben, solange er nicht ein einziges gutes Wort an ihn richten kann. Das hat mein Mann überwiegend dann über die Jahre so gehalten. Er hat gar kein Wort mehr an ihn gerichtet. Wenn mein Sohn aber zuviel Regeln missachtet hat, hat mein Mann wieder angefangen zu kritisieren. Mein Mann selbst muß irgendwie ein Musterkind gewesen sein. Oder aber, ich denke, er hat nur dann von seinen Eltern Liebe und Anerkennung bekommen, wenn er alle Regeln und Aufgaben eingehalten und erfüllt hat.
Ich selber, war kein Musterkind, ich habe eher gegen die elterlichen Regeln rebelliert und ich erkenne mich bei vielen Dingen, in meinem Sohn wieder.
Nun ist es so, daß ich mich sehr zerrissen fühle zwischen den Stühlen. Ich nehme natürlicherweise meinen Sohn in Schutz, wenn mein Mann ihn kritisiert. Obwohl ich sehe, daß mein Mann oft auch Recht hat, so kann ich doch nicht anders, als meinen Sohn in Schutz zu nehmen. Denn ich sehe, daß mein Sohn total untergeht in unserer Familie, wenn ich ihn nicht schützen würde, vor meinem Mann mit seiner vernichtenden Kritik, die so missachtend und lieblos klingt. Unser Schiff ist sozusagen, stark ins Ungleichge-
wicht geraten. Ich verhalte mich so, weil ich meinen Sohn sehr lieb habe und ich weiß, daß mein Sohn niemanden ausser mir hat, der ihn wirklich achtet und liebt und weil ich durch meine bedingungslose Liebe ihm ein bisschen
Wärme geben möchte. Es ist für meinen Sohn wirklich oft nicht mehr auszuhalten. In ca. 1 Jahr wird er fürs Studium ausziehen. Solange hält er es schon noch aus. Er sagt, es
sei zwar sehr schwierig, aber er wird durchhalten.
Ich habe meinem Sohn schon auch erklärt, daß er seine Kritik an ihm nicht auf seine Person beziehen darf und die Schuld nicht bei sich suchen darf, daß es nicht an ihm liegt.
Denn es ist auch wichtig die Vorgeschichte zu sehen:
Auch seine Exfrau hat ihm solche Dinge vorgeworfen, sein Verhalten seinen eigenen Kindern
gegenüber war auch nicht anders. Und auch meiner Tochter gegenüber, die drei Jahre älter ist als mein Sohn, war er so.
Ausserdem muß man dazu wissen, daß sich mein Sohn anfangs sehr um meinen Mann bemüht hat. Mein Sohn hat die Trennung von meinem ersten Mann als er zwei Jahre alt war erlebt. Dann kam ein Vaterschaftstest, bei dem sich für meinen Sohn rausstellte, daß mein Ex gar nicht sein Vater ist. Mein Ex hat daraufhin meinen Sohn nicht mehr sehen wollen. Als mein jetziger Mann in unser Leben kam, hat sich dann eben auch nicht viel verändert.
Am Verhalten meines Sohnes (er war 9 Jahre alt) war klar zu erkennen, daß er sich mehr als gefreut hätte, wenn er wenigstens einen väterlichen Freund bekommen hätte.
Ich habe mir gesagt, ich werde meinen Kindern schon genug Liebe und Anerkennung geben
können, die sie brauchen fürs Leben. Jeder hat eben dann seine Bereiche. Ich kümmere mich um meine Kinder und er um den Job und das Geld. Für meinen Mann, der auch einen sehr zeitaufreibenden Beruf hat, reicht seine Arbeit und seine Frau. Dafür lebt er. Er ist sehr lieb zu mir und ich liebe ihn auch sehr. Über die Jahre hat sich die Situation immer gerade so halten können. Manchmal und so auch
jetzt schwappt das ganze über. Negative Kritik an meinem Sohn, Worte, die (so mein Sohn) sagen, ich mag dich nicht ! Kritik über meinen Sohn an mich gerichtet, um sie weiterzuleiten ! Die Bitte, daß die beiden doch mal miteinander richtig sprechen, geht immer wieder ins Leere.
Weder mein Mann noch mein Sohn suchen das Gespräch. Es muß halt irgendwie gehen.
Aber ich fühle mich emotional so sehr zerrissen, daß ich nur noch bleischwere Glieder habe.
Kann mir irgendjemand Rat geben. Ich wäre jedenfalls sehr, sehr dankbar dafür.
Grüße
Helen